Sich heute mit dem Thema der City Beautiful Bewegung zu beschäftigen, könnte anachronistisch erscheinen. Haben unsere Städte nicht andere, dringlichere Probleme als jenes der Schönheit? Aber Schönheit ist, ernsthaft betrachtet, weit mehr als ein einnehmendes Bild; tatsächlich verfolgte die nordamerikanische Bewegung, die Ende des 19. Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde und 1909 im Plan für Chicago von Daniel H. Burnham und Edward Bennett ihren Höhepunkt fand, eine entsprechend komplexe Strategie.
Liest man den Plan mit zeitgenössischen Augen, entpuppt er sich zur Parabel, ja zum Lehrstück für eine moderne urbanistische Disziplin. Der Plan geht von einem klaren, umfassenden Programm für die Erneuerung und Entwicklung der Stadt aus. Er setzt dieses Programm interdisziplinär um: politisch, soziologisch, funktional, technisch, ökonomisch, rechtlich, administrativ und freilich ästhetisch. Er betrachtet die Stadt in ihrem grossmassstäblichen regionalen Zusammenhang. Er ist extrem langfristig angelegt und bewusst geschmeidig und anpassungsfähig. Er bleibt trotzdem nicht abstrakt, sondern definiert mit dreidimensionaler Präzision die öffentlichen Räume und teilweise auch die Architekturen. Er ist visionär, setzt sich aber gleichwohl
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Sich heute mit dem Thema der City Beautiful Bewegung zu beschäftigen, könnte anachronistisch erscheinen. Haben unsere Städte nicht andere, dringlichere Probleme als jenes der Schönheit? Aber Schönheit ist, ernsthaft betrachtet, weit mehr als ein einnehmendes Bild; tatsächlich verfolgte die nordamerikanische Bewegung, die Ende des 19. Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde und 1909 im Plan für Chicago von Daniel H. Burnham und Edward Bennett ihren Höhepunkt fand, eine entsprechend komplexe Strategie.
Liest man den Plan mit zeitgenössischen Augen, entpuppt er sich zur Parabel, ja zum Lehrstück für eine moderne urbanistische Disziplin. Der Plan geht von einem klaren, umfassenden Programm für die Erneuerung und Entwicklung der Stadt aus. Er setzt dieses Programm interdisziplinär um: politisch, soziologisch, funktional, technisch, ökonomisch, rechtlich, administrativ und freilich ästhetisch. Er betrachtet die Stadt in ihrem grossmassstäblichen regionalen Zusammenhang. Er ist extrem langfristig angelegt und bewusst geschmeidig und anpassungsfähig. Er bleibt trotzdem nicht abstrakt, sondern definiert mit dreidimensionaler Präzision die öffentlichen Räume und teilweise auch die Architekturen. Er ist visionär, setzt sich aber gleichwohl intensiv mit der existierenden urbanen Struktur, dem baulichen Bestand und den politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnissen auseinander. Und er verkörpert ein städtisches Narrativ, das einen neuen urbanen Mythos beschwört und dafür einnehmend dargestellt, aufbereitet und vermittelt wird.
Vittorio Magnago Lampugnani, Architekt und Architekturhistoriker, Zürich
Anouk Kuitenbrouwer, Architektin und Stadtplanerin, ETH Zürich
Meghan Rolvien, Architektin, ZAS* Zürich
Moderation Katrin Eberhard, Architektin, St. Gallen
Eintritt CHF 10.– / Mitglieder AFO Eintritt frei
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